1/Schon der Großvater von Witold Pilecki, Jozef, war am Januaraufstand 1863/84 gegen die russische Vorherrschaft beteiligt und ist dafür sieben Jahre nach Sibirien verbannt worden.Witold wurde 1901 in Karelien geboren. Er lebte als Kind und Jugendlicher auch in Wilna und Zentral-
2/russland (Orjol). Ab 1918 kämpfte er für die polnische Unabhängigkeit, so auch 1918-1920 im sowjetisch-polnischen Krieg. 1926 ist er demobilisiert worden, arbeitete auf dem Familienbauernhof und bekam mit seiner Frau zwei Kinder. Mit Beginn des Krieges gegen Polen 1939 beginnt
3/eine atemberaubende Biographie, die in keinem europäischen Geschichtslehrbuch fehlen dürfte! Zunächst an der deutsch-polnischen Front kämpfend wurde seine Einheit infolge der sowjetischen Besetzung Ostpolens ab 17. September 1939 aufgelöst. Pilecki ging nach Warschau, wo er
4/Anfang November 1939 eine der ersten polnischen Untergrundorganisationen gegen die Besatzungsmacht gründete, die 1940 etwa 8000 Kämpfer umfasste und dann in die größte Untergrundarmee, die Armia Krajowa (Heimatarmee) integriert wurde. Im September 1940 ließ er sich absichtsvoll
5/in Warschau bei einer Razzia verhaften, um ins KZ Auschwitz zu kommen. Er kam gezeichnet von Folter an und organisierte auch hier eine Untergrundwiderstandsorganisation. Sein Plan war es, über die Zustände die Öffentlichkeit zu informieren. Ab Oktober 1940 konnte die Organi-
6/sation aus dem Lager heraus Berichte über die inneren Zustände nach Warschau schmuggeln, von wo aus sie zur Exilregierung nach London gelangten. Pileckis Plan, mit diesen Enthüllungen mehr Unterstützung für den polnischen Freiheitskampf zu erhalten, ging nicht auf:Den Berichten
7/wurde misstraut und in London gab es keine Pläne, die Heimatarmee mit alliierter Unterstützung kampfstärker zu machen und die Befreiung Polens anzugehen. Im April 1943 floh Pilecki aus Auschwitz–die Gestapo war ihm auf der Spur und er wollte die Berichterstattung über Auschwitz
8/intensivieren. Pilecki musste nach seiner illegalen Ankunft in Warschau erfahren, wie wenig ihm und seinen Berichten in London geglaubt wurde. Folgerichtig beteiligte sich Witold Pilecki aktiv am Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 ausbrach. Anfang Oktober 1944 ergab er
9/sich. Er kam in deutsche Internierungslager. Ende April 1945 ist er von US-Truppen befreit worden. Witold Pilecki kehrte nach Polen zurück und baute dort ein geheimes Nachrichtennetzwerk auf. Seinen Kampf für ein freies Polen führte er fort–nun gegen die sowjetische Besatzungs-
10/macht. Im Frühjahr 1946 befahl die Londoner Exilregierung, den Kampf wegen Aussichtslosigkeit einzustellen. Die Untergrundkämpfer sollten entweder in den Westen fliehen oder, sofern möglich, in ihr altes bürgerliches Leben zurückkehren. Pilecki widersetzte sich. Er begann,
11/Beweise für die Verbrechen der sowjetischen Besatzungsmacht an der polnischen Gesellschaft zu sammeln und zu dokumentieren. Am 8. Mai 1947 verhaftete ihn der polnische Geheimdienst, ein Arm der sowjetischen Okkupanten. Schwer gefoltert verriet Pilecki keine Mitkämpfer. Im März
12/1948 begann ein Schauprozess gegen ihn – der endete mit der Todesstrafe gegen Witold Pilecki und andere Mitangeklagte. Am 15. Mai 1948 ist er hingerichtet worden. Seine sterblichen Überreste sind unauffindbar. Es wird angenommen,dass er auf einer Müllkippe neben einem Friedhof
13/in Warschau verscharrt worden ist. Bis zum Untergang des kommunistischen Regimes wurde das Schicksal von Pilecki wie ein Staatsgeheimnis verborgen. Erst am 1. Oktober 1990 erfolgte seine vollumfängliche Rehabilitierung. 2013 erschien auch auf Deutsch Pileckis sagenhafter
14/Geheimbericht aus und über Auschwitz. Endlich über Polen und kleine Expertenkreise hinaus machte der britische Journalist Jack Fairwather den polnischen Helden Witold Pilecki bekannt, als er 2019 eine umfassende, höchst spannende und atemberaubende Biographie veröffentlichte,
15/die 2022 auch auf Deutsch herauskam. Und nun hat das seit 2017 in Warschau bestehende und seit 2019 in Berlin eine Außenstelle unterhaltende Pilecki-Institut, eine Forschungseinrichtung mit politischen Bildungsauftrag, eine höchst informative und anschauliche Dauerausstellung
16/zu Leben und Wirken von Witold Pilecki eröffnet. Begleitend dazu erschien dieser Katalog, der eine glänzende, mit vielen Dokumenten und Fotos ausgestattete Biographie auf der Grundlage von Fairwathers Darstellung geworden ist.Diese Ausstellung sollte auch als Wanderausstellung
17/durch Europa „reisen“. Der eindrucksvolle Katalog müsste dazu in allen europäischen Sprachen als Handreichung angeboten werden. Niemand, der diese Biographie zur Kenntnis genommen hat, wird jemals nochmals vor den Folgen von Totalitarismus, Unfreiheit, Faschismus und
17/Kommunismus nicht warnen können. Witold Pilecki gehört – ich wiederhole mich ausdrücklich – in jedes europäische Geschichtsschullehrbuch. Und dieser Katalog in jede Bibliothek – ob nun privat oder öffentlich! @PileckiInstitut